"Ottessa Moshfegh: Mein Jahr der Ruhe und Entspannung": Öd, kalt und leer

Die einen waren der Meinung feinere Seide, edleres Tuch habe man selten gesehen, die anderen fanden, der Kaiser sei einfach nur nackt. Spontan kam der Einwurf, das seien ja alles Karikaturen, soeben ausgebrochen aus einer Folge "Sex and the City", ein Buchnomade lobte den "bösen Humor", den auch die als "durchgeknallte Esotante" gelobte Therapeutin der Hauptfigur versprühte. "Gut geschrieben" gegen "Schreibwerkstattstil", "Tragik einer jungen Frau" oder "öde Langeweile einer Egomanin" - die Buchnomaden urteilten von "quälend" bis "richtig gut". Verwirrt ? Gut so, denn Ottessa Moshfeghs "Mein Jahr der Ruhe und Entspannung" ist entweder fesselnder "Pageturner" oder einfach nur eine kreuzlahme Täuschung.

Der große Schlaf

Mosfegh erzählt die Geschichte einer jungen Kunsthistorikerin und Erbin aus begütertem Hause in New York. Unsere schöne und eitle Hauptfigur entschließt sich mit Hilfe einer Therapeutin, die Psychopharmaka in bunten Smartiesmischungen zusammenstellt, in den Winterschlaf zu verfallen. Es folgen komatöse Schlafphasen von mehreren Tagen, unterbrochen von Besuchen im ägyptischen Fastfood-Restaurant, Treffen mit der einzigen Freundin Reva und Sex mit dem herzlosen Lover Trevor. In ihren wachen Momenten stellt unsere Heldin fest, das sie offenbar zum Schlafwandeln neigt und dabei eine Art zweites Leben führt. Notiert werden allerlei Merkwürdigkeiten wie ungeklärte Kreditkartenabbuchungen oder Friseurtermine, zu einer zweiten Geschichte aber reicht es nicht. Stattdessen wird uns der Liebling der Kunstszene Ping Xi vorgeführt, der aus dem Winterschlaf ein Kunstobjekt macht. Guter Einfall oder doch nur Karikatur?

Reva schließlich, einsame Assistentin im New Yorker Räderwerk der Großraumbüros und Hochhausschluchten, überlebt ihre Beförderung ins  World Trade Center nicht. Da hat man doch schwer den Eindruck, das sei auf billigen Effekt geschrieben, zumal Reva versetzt wird, weil ihr Chef und Liebhaber sie nach einer Affäre loswerden will. Trevor, ebenfalls mit Büro im World Trade Center, überlebt, natürlich, weil er gerade seine Flitterwochen auf Barbados verbringt. Und all das wird der eigentlichen Geschichte des Winterschlafs auf den letzten Seiten hinterhergeworfen. Das war dann auch vielen Buchnomaden zu stereotyp. Mosfeghs Figuren sind erwartbar, hölzern und ohne Entwicklung, alles treibt dahin, öd und leer.

Wahrscheinlich sahen deshalb einige Kritiker in Mosfehgs Buch "den Roman zur Zeit" oder gar "das Bild zur Epochenwende" - was für ein Bild der Gegenwart! Der "Spiegel" hielt den Roman für "unglaublich dröge und trostlos - und trotzdem maximal fesselnd." (Spiegel-Kritik) Das stimmt sogar, der Leser bleibt dran, um sich hinterher zu fühlen wie nach einem stundenlangen durchgezappten Abend "with 57 channels and nothing on."



Kommentare

  1. Auch wenn das nicht mein Lieblingsroman war, die Idee bis zu einem gewissen Zeitpunkt einfach nur verschlafen zu können, erscheint gerade verlockend.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen