"Michail Bulgakow, Das hündische Herz": Klein, schnell, spitz und witzig


In einem eher trüben Buchnomadenjahr war Michail Bulgakows "Das hündische Herz" eine echte Entdeckung. Da atmete eine Nomadin auf mit dem Seufzer, die Pechsträhne (der Buchauswahl) sei nun vorbei. Manche wurden euphorisch und hatten "keine Seite Langeweile". Man fand das sei sehr "lesenswert und dicht". Die schönste Kritik machte gar Hoffnung auf noch bessere Literatur: Das hündisch Herz sei zwar "echt gut", aber noch besser sei Bulgakows "Meister und Magarita".

Ein Star namens Lumpi

Bulgakows Roman beginnt aus der Sicht eines Straßenköters im Moskau der 20er Jahre, der sich schon bald in der großbürgerlichen Wohnung des experimentierfreudigen Chirurgen Filipp Filippowitsch Preobrashenski wiederfindet. Hypophyse und Hoden eines jüngst verstorbenen Mannes sind zur Hand und mit Hilfe von Assistent Bromenthal auch schnell verpflanzt. Die Schilderung der Operationen (es folgt eine weitere) sind - je nach Anschauung - ein Schauder oder ein Genuss. Natürlich geht das gottgleiche Spiel des Professors nicht auf: Lumpi, nach Tagen der auch sprachlich allerschönsten Metamorphose, ist auch als Mensch ein Straßenköter - aggressiv, häufig besoffen und gewieft. Die Hypophyse war eben doch die eines Kleinkriminellen. Als Polygraf Polygrafowitsch, früher unser lieber Lumpi, dann auch noch das kommunistische Hauskomittee auf seine Seite zieht und es zum Unterabteilungsleiter bringt ist das veraltete Großbürgertum beinahe geliefert. Professor, Doktor und Dienerschaft müssen um Ihre Behausung und ihr bequemes Leben fürchten. Na klar, da hilft nur eins: Skalpell und Tupfer. Wunderbar wie das dann wieder aufgeht, zurück im Hundeleben freut sich Lumpi, dass die Zeiten als Streuner zu Ende sind und am Ende haben es alle wieder warm und gemütlich.

Bulgakow vermag es auf 156 Seiten, eine großartige Geschichte zu entwickeln und wunderbare Szenen zu kreieren - von der Verwandlung zum Menschen über herrlich einfältige Apparatschiks bis zum großen Wohnungswasserschaden. Gleichzeitig ist es eine irrsinnig komische Satire auf den Sowjetmensch, die Kollision des 19. Jahrhundert mit der "neuen Zeit" und die Erkenntnis, dass die Sicht über eine kalte Hundeschnauz hinweg manchmal die schönste ist. Man war begeistert.


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