"Kazuo Ishiguro: Der begrabene Riese": Stochern im Nebel

Kazuo Ishiguro - gefeierter Nobelpreisträger, gepriesen in den Feuilletons, gelobt für "Was vom Tage übrig blieb" - schön und gut, aber das ist natürlich alles nichts gegen die Stahlgewitter eines Buchnomadenabends im schweren Dunst eines englischen Pubs.

Die Einen blieben "ratlos zurück", die Anderen konnten den begrabenen Riesen nicht finden, ein Buchnomade fand das Ganze "sprachlich schwankend", als historisches Gleichnis aber dennoch interessant. Das Urteil spannte sich schließlich von "schon zur Mitte des Buches genervt" bis zum einhelligen Lob für das Mystisch-Übernatürliche des Romans.

Ishiguro erzählt uns die phantastische Geschichte eines alternden Ehepaares, das im frühmittelalterlichen England seine Gemeinschaft verlässt, um seinen Sohn zu suchen. Schon bald wird klar, dass über dem Land ein Vergessen liegt, das auch den beiden Alten die Erinnerung raubt. Nebel liegt über dem Land, der Atem eines Drachen. Auf Ihrer Reise, einer Art Odyssee, haben Axl und Beatrice Abenteuer zu bestehen, die um eben dieses zentrale Thema kreisen: Erinnern und Vergessen. Ein wirre Alte, ein geheimnisvoller Fährmann, ein ehemaliger Ritter der Tafelrunde, ein Waise, ein aussterbender Mönchsorden, ein unerschrockener Krieger - diese rätselhaften Begegnungen tragen den Roman bis zum unausweichlichen Drachenkampf. Mit dem Tod des Drachen droht schließlich nicht nur die Erinnerung an Liebe und Gemeinschaft sondern auch an alte Feindschaft aus Zeiten des Bürgerkrieges zwischen Sachsen und Britanniern zurückzukehren. 

Aber den Gefallen das Ganze aufzulösen tut uns Ishiguro nicht, vielmehr ist das Ende (ist es überhaupt eines?) ein Kunststück wie aus der großen griechischen Sagenwelt. Dieser Schluß, im Bangen um Axl und Beatrice, ist das brillanteste Stück des Romans und ließ auch keinen der Buchnomaden ungerührt zurück.

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