"Ulrich Peltzer: Das bessere Leben" - viel trocken Brot und ein paar Rosinen


Anstrengend und quälend - die Buchnomaden blicken missvergnügt auf "Das bessere Leben"


Das einige der Buchnomaden so früh im Jahr Ihren Joker gezogen hatten konnte kein gutes Omen für Ulrich Peltzer sein. Einmal pro Jahr ist es nämlich erlaubt, ein Buch gar nicht oder nur teilweise zu lesen, also einen Joker auszuspielen. Diese Wahl will wohl überlegt sein, das weiß jeder, der sich als Buchnomade verpflichtet hat auf seiner literarischen Wanderung pro Jahr etwa 4.500 Seiten zu lesen. Einige hatten also verweigert - und dürfen nun bis Ende des Jahres keine Niederung mehr umgehen - andere feuerten sogleich mit unschönen Adjektiven: langweilig, anstrengend, unmodern, ja quälend.

Doch worum geht es: Uns wird - im Kern - das Leben zweier Manager von Anfang 50 erzählt - etabliert, erfolgreich, aber durchaus in Ihren Karrieren bedroht, das Leben ganz ordentlich gelungen, aber wohl doch nicht immer wie erhofft verlaufen - so gesehen kein besseres sondern eher ein gewöhnliches Leben, wenn auch gespickt mit den Zutaten aus der oberen Mittelklasse. Wir finden uns also wieder in Zürich, Amsterdam, Sao Paulo, erstklassigen Hotels, indonesischen Restaurants und teuren Boutiquen. Eingeschoben sind Rückblicke auf Haschischeinkaufstouren, Demos gegen den Vietnamkrieg, die Jugend am Niederrhein - als unsere Helden gegen das Establishment noch zu Felde zogen.

Manager im Nebel

In der Geschäftswelt der beiden Protagonisten bleibt vieles rätselhaft: Was macht Sylvester Lee Fleming eigentlich in Sao Paulo? Geschäfte stehen stets nur bevor, bahnen sich an oder sind längst vergangen. Was wird aus Jochen Brockmann dessen Stern bei einem italienischen Maschinenbauer offenbar gerade verlöscht? Ein Zufallstreffen mit dem Mathe-As aus der Oberstufe, selbstvergessene Spaziergänge mit der erwachsenen Tochter, Vorbereitungen auf die diamantene Hochzeit der Eltern - virtuos erzählt, aber mit welchem Ziel?

Doch gerade das Unsortierte hat im "Besseren Leben" seinen Reiz. Die Passagen mit Flemings Reflektionen über sich und die Welt erzeugen einen wunderbaren Strudel. Seine Rückblicke auf das Aufbegehren gegen den Vietnamkrieg, seine Halbherzigkeit gegenüber der Sturheit und Kraft seiner heimlichen Studentenliebe Allison, das sind starke Einzelstücke.

Beim Tagträumen und Flanieren in Zürich und Amsterdam wiederum wird der Leser zum Begleiter der brockmannschen Ziellosigkeit. Dabei gelingen wunderbare Passagen: In Amsterdam wird Brockmann von einem vorschnellen Kellner bei einer allein sitzenden Dame platziert, der Beginn einer präzise, schnell und mit viel Wärme erzählten Liebesgeschichte. Peltzer versteht es dabei wunderbar, die erste Scheu der beiden zu schildern und den einander zugewandten Wortwechsel bei der Auswahl des Menüs - der Leser erlebt in gekonnten, starken Dialogen den Beginn einer späten Liebe.

Ein paar hübsche Rosinen

Aber diese einzelnen Rosinen in 446 Seiten waren den Buchnomaden dann doch zu wenig an schlüssiger Geschichte und Romangeschehen. Auch der Sprachsog stellte sich nicht immer ein sondern blieb verworren-mühsames Selbstgespräch. Vieles sei unklar und unverbindlich, die Philosophie der Figuren durchweg identisch. Immerhin - ein Buchnomade war der Meinung "mit dem Buch muss man arbeiten" - also auf ein Wiedersehen!







Kommentare

  1. Schöner Artikel! Habe immer noch diesen Ohrwurm: Blackbird singing in the dead of night
    Take these broken wings and learn to fly
    All your life you were only waiting
    For this moment to arise
    https://youtu.be/Mo_DMGc2v5o

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