"Johann Holtrop", die Buchnomaden und ich


Vom unerwarteten Glück in einem Literaturkreis zu sein


Das "Johann Holtrop" von Rainald Goetz nur von wenigen Buchnomaden als Meisterwerk wahrgenommen wurde war zwar enttäuschend, ja beinahe skandalös, aber auch der schönste Beweis für das Glück in einem Literaturkreis zu sein. Hier bekommt man den Kopf zurechtgerückt, lernt 'was, arbeitet sich durch manches widerwillig und entdeckt großartiges wie "Washington Square" von Henry James oder "Sand" von Wolfgang Herrndorf. Und man greift endlich zum Klassiker, der sonst noch Jahre unangetastet geblieben wäre, so geschehen mit "Berlin Alexanderplatz" von Alfred Döblin.

Deutungen und psychologische Feinheiten - die Kunst der Anderen 

Verblüffend vor allem die Sichtweisen der Anderen, die, wer hätte das gedacht, doch tatsächlich vom eigenen messerscharfen Urteil abweichen. Mir ist zum Beispiel vor allem an der Geschichte, den Charakterzeichnungen, der Grundidee und der Sprache gelegen. Psychologische Feinheiten, zweite Ebenen, Deutungen bleiben mir häufig verschlossen, aber dafür habe ich jetzt die Buchnomaden, deren Sicht der Dinge mir die Bücher noch einmal neu vermittelt. Leider muss man dann vorschnelle Urteile noch einmal überdenken, obwohl ja schon alles so schön zurechtgezimmert war.

Doch damit nicht genug: die Nomaden haben Kenntnisse über Gesamtwerke, schauen auf die Rollen von Mann und Frau, erkennen Parallelen zu unbekannten Science fiction-Autoren, haben die Rezension aus der "Süddeutschen" gelesen oder wissen, wo es bei der Übersetzung hakt - Freuden der Literaturabende, unerwartet und wunderbar.

Und am allerbesten: auch die eigene Eitelkeit kommt nicht zu kurz, wenn man endlich einmal zeigen darf, wie blitzgescheit man ist. Denn eins ist klar: "Johann Holtrop" ist ein zu Unrecht unterschätztes Meisterwerk der deutschen Literatur, da haben (fast) alle Buchnomaden gründlich danebengelegen.

Ein Hoch auf alle Literaturkreise und natürlich auf Rainald Goetz.


 

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