Unterleuten von Juli Zeh - Vom Winde verweht in der Provinz

Große Ereignisse werfen im dem kleinen Dorf Unterleuten ihren Schatten voraus. Und zwar in Form von mehreren Windkraftanlagen die dort aufgestellt werden sollen um nicht nur das Weltklima zu retten sondern auch die Gemeindekasse.
Auf 635 Seiten prallen Interessen, Wünsche, Wertevorstellungen, Ideologien und nicht zuletzt persöhnliche Befindlichkeiten der Dorfbewohner aufeinander. Der Riss der sich durch die Gemeinde zieht verläuft nicht nur zwischen Zugezogenen und Alteingessenen sondern auch zwischen Familien und Freunden.
Da sind der alternde Professor und Kampfläuferschutzherr mit seiner jungen Frau der sich in die Schlacht wirft um revolutionäre Jugendträume wiederaufleben zu lassen und auch seiner schwindenden Männlichkeit Paroli zu bieten.
Der Betreiber des Landwirtschaftsunternehmens der neben dem Erhalt der Arbeitsplätze auch endlich die Wiedererlangung des von dem Kommunisten beschlagnahmten Familienbesitzes anstrebt.
Die junge Pferdewirtschafterin die, angetrieben von Weisheiten aus Managementbüchern in einen wahren Machtrausch verfällt und die Umgebung wie Marionetten tanzen lässt um ihren Traum von einem eigenen Pferhof zu verwirklichen.
Was Juli Zeh geschaffen ist ein unheimlich dichter Mikrokosmos mit Betonung auf "unheimlich". Denn von dörflicher Idylle ist in dieser ostdeutschen Provinzposse nicht viel zu spüren. Das wirkt manchmal etwas überzogen und klischeehaft aber bietet zugleich auch einen wunderbaren Einblick in das Leben einer kleinen Gemeinschaft von Menschen die sich näher sind als sie glauben und auch wollen.
Das Leben im Dorf das von Improvisation und Zusammenarbeit (wenn oft auch unerwünscht) geprägt ist. Wer wem einen Gefallen schuldet ist wichtiger als Geld und Titel und Probleme werden meist untereinander gelöst ohne die Behörden und generell die Welt ausserhalb hinzuzuziehen.
Auch wenn das Buch manchmal etwas langatmig ist, kommen immer wieder Einschübe zeigen, wie gut Juli Zeh ihr Handwerk versteht und wie gespannt man ihre weitere Entwicklung folgen darf.
Ideen wie den Einschub über "Rossfrauen" oder der Selbstmord in der Wasseraufbereitungsanlage lassen den Leser immer wieder auflachen und machen Lust das (doch recht dicke) Buch schnellstmöglich zu verschlingen.

Es ist zwar nicht der "Buddenbrooks vom Dorf" den man sich im Kreis wünscht aber schon mal ein Schritt in die richtige Richtung :-)

Für unseren Lesekreis eine gute Wahl und bestimmt nicht auf dem letzten Platz wenn es um die Abstimmung zum Buch des Jahres geht.  
  
  
     

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