"Joseph Conrad: Lord Jim" - Lob eines Klassikers

"Lord Jim" von Joseph Conrad trägt den bescheidenen Untertitel "eine Erzählung", aber was für eine! Die Buchnomaden waren begeistert wie selten - Geschichte, Figuren, Sprache, Dramaturgie - aus welchem Blickwinkel man auch auf diese Erzählung schaut, Conrad gelingt so gut wie alles - wahre Meisterschaft des Klassikers.

Das Geschehen ist rasch erzählt: Jim ist ein junger Seefahrer, der, als erster Offizier des Frachters "Patna" mit Hunderten von Pilgern an Bord, eine Entscheidung trifft, die sein Leben überschattet und fortan bestimmt. Durch diesen tragischen Fehler ist er sich seiner selbst nicht mehr gewiß. Auf zwei Ebenen sind wir nun Zeugen einer Flucht und einer Wiedergutmachung. Wir verfolgen die Flucht vor der eigenen Lebensgeschichte, den Versuch eines wiederholten Neuanfangs und die Konfrontation mit der eigenen Schuld, dem Bemühen besser zu sein, als in jenem Schuldmoment des animalischen Instinkts. Aber auch an seinem letzten Zufluchtsort "Patusan" ist Jim vor seiner Geschichte und sich selbst nicht sicher. Obwohl die Erzählstruktur mehrfach wechselt wird der Großteil des Romans vom Kapitän und Seefahrer Marlow erzählt. Er begegnet Jim bei der Seegerichtsverhandlung zur "Patna", wird Jims Mentor und begleitet seine Odyssee durch Südostasien.

Schillernd, eindrucksvoll, wunderbar

Die Buchnomaden waren geradezu hingerissen von der Figurenzeichnung und der atmosphärischen Brillanz der Szenen. Selbst Nebenfiguren wie der Offizier eines französischen Kanonenboots, das schließlich die "Patna" rettet, werden mühelos lebendig in der schwülen Hitze einer asiatischen Spelunke. "Faszinierend" und "schillernd" nannte das einer der Buchnomaden, "eindrucksvoll" und "wunderbar" ein anderer. Der wohlhabende Kaufmann Stein wiederum - er hilft Jim auf Bitten Marlows - wird als hellsichtiger Philantrop beschrieben, der mit Hingabe Insekten sammelt. Er galt einer Buchnomadin als "weise, philosophische Achse" des Romans. Auch die "Schuld und Sühne"-Ebene war ganz nach dem Geschmack der Kritiker. Die Angst im Inneren anders zu sein als man gerne wäre, der Versuch das eigene Versagen abzutragen, beschreibt ein Dilemma das Conrad glaubhaft auffächert.

Gleichwohl - einige Buchnomaden sahen Längen in den Seefahrerstücken, andere sahen darin ein "ausgefeiltes Drama". Aber alle waren sich am Ende einig: "Lord Jim" war ein durchgängig gelungenes Lesevergnügen.

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